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7. Zur Vermittlung von Anweisungen
 
In diesem Kapitel soll es neben der wahrscheinlich vermuteten Untersuchung, wie die Vermittlung von Anweisungen in GAs verläuft, auch um die Vermittlung von Anweisungen in anderen Bereichen gehen. So habe ich mich bemüht herauszufinden, nach welchen Prinzipien die Vermittlung von Verhaltensanweisungen in rein schriftlichen Medien, wie Benimmbüchern, verläuft. Desweiteren habe ich versucht zu klären, wie es sich damit in Lifestyle-Cliquen, "Stilgruppen" und Subkulturen verhält. Dieser Bereich ist interessant, weil die Verhaltens- bzw. Bekleidungsanweisungen in solchen Gruppierungen meiner Vermutung nach nirgendwo manifestiert sind, also keine mediale Übermittlung erfahren.


7.1 Zur Vermittlung von Anweisungen in Gebrauchsanweisungen
 
GAs sollen den Umgang mit technischen Geräten erläutern. Sie haben allerdings auch andere, subtilere Funktionen. Eine davon ist es, im Bezug auf die Qualität eines Erzeugnisses Vertrauen zu schaffen. Sie haben außerdem die pädagogische Aufgabe, dem Benutzer bei Inbetriebnahme bzw. Instandsetzung seines Gerätes zu einem Erfolgserlebnis zu verhelfen. Hierzu müssen sie mit dem Betrachter kommunizieren. Wichtig ist, daß den Bildern Glauben geschenkt wird, da sie in den meisten Fällen den vorläufig alleinigen Ansprechpartner des Benutzers darstellen. Daher müssen sich GAs daran messen lassen, wie sie den zu vermittelnden Sachverhalt dem Betrachter erklärbar machen. Grundlegende Regel sollten die Gesetze der Wahrnehmung sein, denen Rechnung getragen werden muß. Hier von hängt es ab, wie schnell ein Zeichen erfasst werden kann. Renate Eco Ramge bringt in einem Essay zum Thema GAs einige Beispiele, z. B. die GA einer Liege, die selbst ohne Text gut zu verstehen ist, weil sie die Richtungen des Zusammenbaus veranschaulicht, gleiche Strichstärken benutzt - kurz, Übersicht schafft. Die von ihr geschilderten Anweisungen für einen Kühlschrank dagegen erreichen genau dies nicht. Ebenso zeigen die zwei unterschiedlichen Ansichten eines Gartenschlauch-Verbindungsstücks, daß es wichtig ist, Übersicht zu schaffen, indem man versucht das Abgebildete zu vereinfachen. In der Regel dient eine Abbildung als Ersatz für ein nicht vorhandenes Objekt. Die GA stellt insofern einen Sonderfall unter den Abbildungen dar, als daß man das Produkt, um welches es geht, vor sich liegen hat. Somit sind genügend Informationen zum betroffenen Produkt vorhanden. Daher kann es sich die GA erlauben, unwichtige Einzelheiten wegzulassen. Hierdurch wird dem Benutzer ein schnellerer, leichterer Zugang ermöglicht.
Laut Scholz stellt die Analyse des Abgebildeten durch den Betrachter, d.h. die Dekodierung der Bildzeichen, bereits einen Bestandteil der zu lernenden Tätigkeit dar. "Über den Zwang zur Entzifferung des Bildes und der einzelnen Bildscheiben (als Bildscheiben werden hier die einzelnen Standbilder innerhalb einer GA bezeichnet) wird die auszuführende Aktion in bereits bekannte und gegeneinander abzugrenzende Einzelaktionen eingeteilt. Diese Einteilung erleichtert die intrapsychische Verarbeitung des Handlungskonzeptes."
[12]
Die Einteilung in Bildscheiben scheint nach folgenden Kriterien zu funktionieren:
Wie bereits im Kapitel zur Geschichte der GA erwähnt, muß im Zusammenhang mit der GA von den unterschiedlichen Hierarchieebenen einer Handlung gesprochen werden. "Ein übergeordnetes Ziel wird durch eine Abfolge von Zwischenzielen angestrebt, die wiederum in Unter ziele eingeteilt werden können."
[4] Als Beispiel dient hier die GA zur Zubereitung eines Mixgetränks mit Hilfe eines Mixers. Auf der höchsten Hierarchieebene befindet sich die komplexe Zielvorgabe: das Mixen des Getränks. Dieser Vorgang läßt sich nun in kleinere, hierarchieniedrigere Handlungsschritte unterteilen. Der erste Schritt wäre hier das Vorbereiten des Geräts. Dieser Schritt besteht ebenfalls aus kleineren Einzelaktionen: dem Abnehmen des Motorblocks, dem Abnehmen des Deckels und dem Aufschieben des Milch-Shaker-Einsatzes. Und auch diese Aktionen lassen sich wieder in einzelne Handgriffe, etwa das Greifen mit Zeige- und Mittelfinger und das Auflegen des Daumens, unterteilen, die als hierarchieniedrigste anzusehen sind auffällig ist es, daß die Beschreibung wichtiger Teilhandlungen völlig augelassen wird. So werden das Einfüllen und das eigentliche Mixen gar nicht erwähnt, also offensichtlich als selbstverständlich vorausgesetzt. Jedoch werden das Einsetzen und Entfernen des Milk-Shaker-Einsatzes genau beschrieben. Für beide Aktionen gibt es eine Abbildung. Das Herausnehmen des Einsatzes wird sogar bis zu den Fingerbewegungen herunter dargestellt. Scheinbar geht man davon aus, daß es sich hierbei um einen schwierigen oder ungewöhnlichen Bedienungsschritt handelt.
Diese Tatsache legt den Schluß nahe, daß es für den Hersteller der Illustration bei der Wahl des von ihm Dargestellten folgendes abzuwägen gilt. Er hat die Wahl, eine Handlung eher hierarchiehoch bzw. allgemein oder hierarchieniedrig bzw. detailliert zu beschreiben. In einer mündlichen Einweisungssituation übernimmt diesen Gratwandel der Experte gegenüber dem Lehrling auf dessen Nachfragen hin. In einer schriftlich bzw. bildlich fixierten GA muß dies im Voraus bedacht werden, um nicht gewisse Aspekte zu allgemein, andere wiederum zu detailliert, abzuhandeln. Als Faustregel möchte ich folgenden Satz zitieren: "Geläufige Kulturtechniken können global, ungeläufige müssen detailliert dargestellt werden."
[4]
Nun zu der Einteilung in "Bildscheiben". Ein Zitat von Lessing scheint die wichtigsten dabei zu beachtenden Punkte zu bündeln: "Die Malerei kann in ihren coexistierenden Kompositionen nur einen einzigen Augenblick der Handlung nutzen und muß daher den prägnantesten wählen, aus welchem das Vorhergehende und Folgende am begreiflichsten wird." Selbiges scheint auch für die bildliche GA zu gelten, wenn sie denn verständlich sein will. Die Standbilder (Bildscheiben) sollten so gewählt sein, daß sie zur inneren Weiterführung des Gesehenen führen. Auch hier gibt es ein Zitat, daß diesen Sachverhalt gut zusammenfaßt: "Die geistige Leistung beim Lesen von Comics liegt in der Ergänzung der Bildzwischenräume."
[8] Es scheint allerdings einfacher zu sein, hierarchieniedere Handlungen in einem Standbild zusammmenzufassen als eine typische Abbildung einer hierarchiehohen Handlung zu finden. Eine solche Abbildung sollte in der Lage sein, die Geamthandlung "visuell zusammenzufassen". Als Beispiel für den beschriebenen Vorgang
des Milchmixens wäre hier das Einfüllen der Zutaten in den Mixer vorstellbar.
Desweiteren wäre anzuführen, daß Abbildungen in GAs meist Zustände schildern und daran räumliche Beziehungen der Einzelteile ablesbar machen. Laut Ballstaedt sind Abbildungen der Gattung Z1 und der Gattung Z2 zu unterscheiden. Erstere schildern die Vorraussetzungen für eine Handlung und dienen der Identifikation der einzelnen Elemente. Die Bilder der Mixer-GA gehören Z1 an, denn sie zeigen die Ausgangssituation und nicht das Endergebnis. Abbildungen der Gattung Z2 dienen der Kontrolle des Handlungserfolgs. Die dazugehörigen Texte beschreiben die auszuführenden Aktionen (A). Die Elemente Z1-A-Z2 stellen die Basisbestandteile der GA dar, wobei sich die meisten auf Bilder der Gattung Z1 beschränken, weil der angestrebte Endzustand (Z2) oftmals eher trivial ist.
Zurück zum anfänglichen Gedanken des Bildverstehens. Trotz der für das Bildverständnis notwendigen Vereinfachung des Bildgeschehens, scheinen Darstellungsmethoden, die sich formaler Gegensätze bedie-
nen (Hell/Dunkel, Punktraster/Linienraster, farbig/schwarzweiß) auch besonders gut die Aufmerksamkeit auf konzeptionelle Gegensätzlichkeiten der Objekte untereinander zu lenken.
Folgende These finde ich desweiteren bei Martin Scholz: "Der Wissenserwerb mit Bildern besteht unter anderem aus Informationen, die eine visuelle Form der Begründung enthalten."
[12] Es gilt herauszufinden, wie eine solche, von ihm als "visuelle Argumentation" bezeichnete Begründung auszusehen hat.
Ein von Scholz anhand einer IKEA GA geschildertes Beispiel der visuellen Argumentation möchte ich hier wiedergeben. Folgende Kriterien sollten seiner Meinung nach durch die GA generell erfüllt werden:
"Die technische Dokumentation ist eine text- und bildliche Erläuterung einer zielgerichteten Handlung. Das Gebrauchsziel ergibt sich entweder aus dem Objekt bzw. dem Kauf des Gegenstandes oder aus seinen Funktionsmöglichkeiten. Die Anleitung dient dem Kennenlernen bzw. dem Vertrautmachen des Nutzers mit der Funktionalität des Gegenstandes. Hierzu werden in der Regel die Einzelteile aufgelistet. Die technische Dokumentation ist ferner die Ortsbeschreibung der einzelnen Objektteile. Das geschieht meist in Form einer bildlichen Darstellung. Durch die Bildlegende werden sichtbare Einzelteile im Bild mit Bezeichnungen versehen, die wiederum im, sofern vorhandenen Erklärungstext auftauchen. Die Bildlegende verbindet also Bild und Text."
[12]
Die GAs der Firma IKEA funktionieren alle nach einem ähnlichen Prinzip. Sie sind rein bildorientiert, d.h. auf Texte wird verzichtet, oder sie dienen allein der Angabe von Objektbezeichnungen. Dieses Vorgehen läßt sich mit der internationalen Marktpräsenz der Firma erklären und den damit verbunden Kosten, die GAs in jeweiliger Landessprache herauszugeben. Somit erfüllen die IKEA-GAs natürlich auch in besonderem Maße die Kriterien einer "visuellen Argumentation". Wie schon gesagt ist also die IKEA-GA rein bildorientiert. Die komplette Montage des Möbels wird in schwarz/weißen Kontur Zeichnungen ablesbar gemacht. Teilweise werden schraffierte Grauflächen eingesetzt, um Bauteile besonders zu kennzeichnen. Der Bauanleituung vorangestellt ist eine Auflistung der vorhandenen Einzelteile. Diese werden einzeln in ihrer relativen Größe zueinander gezeigt. Außerdem wird das von IKEA mitgelieferte Werkzeug, der Imbusschlüssel, aufgeführt. Die Darstellungen der Bauteile sind nummeriert. Im Anschluß an die Auflistung der Bauteile finden wir die Montageanleitung in mehreren Bildern. Diese sind ebenfalls nummeriert. Beim Durchsehen der Anleitung wird deutlich, daß sich die Nummern der Bauteile auf die Nummerierung der einzelnen Montageabschnitte beziehen. So gehören die beiden Bauteile mit der Nummer 1 zu Bild eins der Montageanleitung, da sie hier verwendet werden. Schritt für Schritt werden jetzt die einzelnen Stadien der Montage dokumentiert. Hierbei ist das Objekt, in diesem Fall eine Sitzbank, immer in Totalansicht aus dem jeweils notwendigen Blickwinkel zu sehen. Die im jeweiligen Bild auszuführende Aktion wird, sofern es nötig ist, in einer sprechblasenhaft anmutenden Vergrößerung hervorgehoben. Die Zuspitzungen der Sprechblasen verweisen auf den genauen Ort der Ausführung im Gesamtobjekt. Ein weiteres Gestaltungsmittel tritt in Bild 2 auf. Größere Einzelteile, die bewegt werden sollen, werden in einem schraffierten Grauton hervorgehoben. Pfeile werden eingesetzt um die Bewegungsrichtung zu kennzeichen. So sehen wir die Sitzbank nach und nach zusammenwachsen. Als letzte Abbildung sieht der Betrachter ein fertiges Bild der Bank.
Hier noch einmal eine Auflistung der in dieser GA angewendeten Methoden: Erstens werden Kleinteile und Werkzeuge anfangs separat aufgelistet um einen Überblick zu verschaffen, welches Material notwendig ist. Die Kleinteile sind nummeriert. Die Nummmerierung der Kleinteile bezieht sich auf die Nummerierung der einzelnen Montagestadien. Die Montage wird schrittweise dargestellt. Zur Steuerung und als Hilfestellung dienen Pfeile, die Bewegungsrichtungen verdeutlichen, und eine sprechblasenartige Vergrößerung, in der einzelne Aktionen hervorgehoben werden können. Diese Sprechblasen weisen mit ihrem pfeilartig zugespitzten Ende auf den Handlungsort innerhalb des Gesamtobjektes. "Bei Blickrichtungsänderungen werden Konstanten zur erleichterten Identifikation gegeben", dies geschieht in Form von grauen Schraffuren. Im jeweils nachfolgenden Bild ist das Ergebnis des vorherigen Arbeitsschrittes zu überprüfen. Wir sehen, auch hier taucht wieder das Z1/Z2 Modell von Ballstaedt auf. Das letzte Bild der GA zeigt das Objekt im fertigen, zusammengebauten Zustand. Es fehlt in dieser GA eine Auflistung der größeren Einzelteile. In anderen Anleitungen der Firma sind sie allerdings teilweise zu finden.
Dieses scheinen Mittel aus dem Grundrepertoire einer "visuellen Argumentation" zu sein.
Ergänzen möchte ich diese Anführungen noch um die Kriterien, die für GAs mit Text-Bild-Kombinationen gelten.
In Text-Bild-Kombinationen dienen die Abbildungen der Präzisierung des Textes. Sie sollen Textaussagen ordnen und fungieren zusätzlich als Motivator.
Um eine schnelle Informationsaufnahme und ein schnelles Umschalten von Text auf Bild zu gewährleisten, sollten Abbildungen auch hier einfach gehalten sein und auf unnötige Details verzichten. Fehlerquellen im Bildverständnis scheinen sich aus Überlagerungen von Vorder- und Hintergrund zu ergeben. Außerdem sollte auf die Wahrscheinlichkeit von Größenverhältissen geachtet werden.
Die vorhandenen Bildinformationen sollten komplementär zu den Textinformationen sein, sich also gegenseitig sinnvoll ergänzen. Im Fall von Redundanz oder Mehrdeutigkeit zwischen Bild und Textinformation - dies ist der Fall, wenn Satz und Bild unterschiedliche, nicht aufeinander bezogene Informationen enthalten - kann sich fehlerhaftes Verständnis ergeben.

Ich komme zu folgendem Schluß: Anweisungen in GAs werden mit Hilfe einer "visuellen Argumentation" gemacht. Hierbei handelt es sich in erster Linie um die logische und schlüssige Darstellung einer Handlungs- /Bedienabfolge unter Zuhilfenahme der im Text beschriebenen Mittel wie Pfeile, Vergrößerungen, Hervorhebungen usw.
Evtl. vorhandene Texte sollten sich komplementär zum Bild verhalten und helfen das Bildgeschehen zu präzisieren.