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4. Was ist eine Gebrauchsanweisung?
 
Eine Frage die es zu klären gilt, um den zu bearbeitenden Themenkomplex einzugrenzen. Folgende Definition halte ich für tragfähig: "Gebrauchsanleitungen sind Sonderfälle von Handlungsanweisungen". Maßgeblich scheint der "Bezug zu einem Artefakt" zu sein, "dessen Verwendung beschrieben ist" [14] Dies bedeutet, daß Gesetze, Gebote und allgemeine Verhaltensregeln sich nicht unter dem Begriff GA fassen lassen. Ein weiteres Kriterium stellt die Fixierung auf einem Speichermedium dar. Dies schließt aus, daß auch mündliche Einweisungen in eine Tätigkeit bzw. Handhabung eines Produktes zum Themenkomplex GA dazugehören.
"Die Rolle des Rezipienten ist definiert als die eines Lesers, der die Anleitung nicht zum Selbstzweck oder zur Unterhaltung oder Erbauung liest, sondern um sich in die Lage zu versetzen, mit einem Artefakt umzugehen. Das Erlernen einer Technik ist ausschlaggebend (...) Dabei ist die Form der Darstellung ziemlich gleichgültig. Ob ich in schriftlicher oder in bildlicher Form unterrichte, ob ich dialogisch, in Reimen oder gesungen vorgehe; all dies spielt keine Rolle. Die Gebrauchsanleitung definiert sich über den Verwendungszusammenhang und die Intention sowohl des Kommunikators als auch des Rezipienten." [14]
Desweiteren stellt sich die Frage nach Anfang und Ende der Gattung. Ein Kochbuch beispielsweise scheint bereits einige der Kriterien zu erfüllen. Es wird in den Umgang mit Zutaten unter Berücksichtigung der dazugehörigen Maschinen und Werkzeuge eingewiesen. Jedoch wird nicht auf die Frage eingegangen, wie diese zu bedienen seien. Selbiges legt folgenden Schluß nahe: "Das "Wie" des Umgangs ist offenbar der Inhalt der Gebrauchsanleitung". [14]
Ein weiterer zu erfüllender Faktor scheint das zu erzielende Ergebnis zu sein - der Output. "Ich lese die Anleitung, um mit einer Kamera Bilder machen zu können, mich mit einem Rasierapparat rasieren zu können, mit einer Nähmaschine eine Hose flicken zu können". [14]
Klaviernoten etwa erfüllen die GA-Kriterien insofern, als daß sie ebenfalls Angaben über die Handhabung eines Artefaktes machen. In Form von Noten und anderen musikalischen Zeichen wird hier vermittelt, wie lange ich eine Taste zu drücken habe und wo evtl. eine Pause zu stehen hat. Jedoch geht es bei dieser Anweisung lediglich um die Vermittlung der richtigen Handhabung des Instruments, nicht um den Output. Es wird das "Was" beschrieben und nicht das "Wie". Also: "welche Taste muß ich drücken" und nicht "wie drücke ich eine Taste". Im übrigen wenden sich Klaviernoten immer an eine Benutzergruppe, die den Umgang mit dem Instrument bereits beherrschen, was sie desweiteren von GAs unterscheidet.
Etwas anderes ist es bei einer Flasche Glasreiniger. Glasreiniger, eine Flüssigkeit also, scheint auf den ersten Blick nicht die Kriterien eines technischen Artefaktes zu erfüllen. Jedoch stellt es in dem benutzten Zusammenhang sehrwohl ein Werkzeug dar. Desweiteren geht es um das Erlernen einer Technik, eine Technik zur Reinigung von Glas mit Hilfe des Glasreinigers. Techniken sind in den seltensten Fällen selbsterklärend und bedürfen somit meist einer Erklärung.
Die Rolle, die in der mündlichen Übermittlung von Techniken der Lehrer inne hat, übernimmt im bildlich/schriftlich fixierten Bereich die GA. Die linguistische Definition, die die GA mit den Atributen "monologisch, schriftlich fixiert, fachextern, pluralistisch adressiert, nichtverbales Handeln als Ziel, Warencharakter"
[9] definiert, greift zu kurz. Es gibt und gab Gegenbeispiele. "Anleitungen enthalten mitunter Bilder und Piktogramme und verzichten bisweilen weitgehend auf Text. Anleitungen zum Telefonieren enthielten zu Beginn auch Hinweise zum verbalen Handeln, Anleitungen für einen BOSCH Kühlschrank der 50er Jahre richteten sich dialogisch an die Hausfrau, eine Audio-Cassette mit Anleitungen für einige Funktionen des Mercedes Benz der S-Klasse hat keine pluralistische Erzählhaltung, sondern adressiert einen einzelnen Zuhörer als Rezipienten, der die beschriebenen Handlungen ausführt (...)". [14]
Hier nur ein kleiner Ausschnitt des von Clemens Schwender in seinem Buch wiedergegebenen Textes dieser Audiocassette:

"Herzlich willkommen in Ihrem neuen Mercedes. Wenn Sie jetzt in Ruhe Platz genommen haben, die Paßform der neuen Sitze und die Griffigkeit Ihres Lenkrades spüren, dann stellt sich wahrscheinlich sehr schnell das Gefühl ein: Alles paßt, daß man alles mühelos in der Hand hat. Und wenn Sie die vielen Details um sich herum wirken lassen, werden Sie merken: Alles sitzt optimal, ergonomisch richtig, wie unsere Konstrukteure sagen. Bevor Sie mit Ihrem neuen Mercedes losfahren, möchten wir Ihnen noch einige interessante Informationen und Hinweise geben. Als Typ und Erscheinung ist er außergewöhnlich. Bestimmt macht es Ihnen Spaß, uns ein paar Minuetn zuzuhören, und dabei das eine und andere direkt mit uns zusammen - natürlich nur
bei stehendem Fahrzeug - auszuprobieren. (...)"

Ein weiteres Merkmal der GA ist ihr "quasi imperativer Charakter".
Es werden sowohl Bedingungen aufgezeigt, die zum Erreichen des Handlungsziels führen, als auch die dafür notwendigen Handlungsoperationen am Produkt. Dabei bedient sich die GA einer "quasi-imperativen" Sprache, wenn ihr auch das Ausrufezeichen zur Unterstreichung ihrer Absichten fehlt.
Linguisten scheinen versucht zu haben GAs, die sich an Laien richten, von denen, die sich an Fachleute richten, zu unterscheiden, indem sie den Anteil fachsprachlicher Begriffe untersuchten. Schwender hält diesen Versuch für nutzlos, denn, wie er sagt, "mag es sein, daß jemand auf einem Gebiet Fachmann oder Fachfrau ist, in einem Bereich ist er oder sie aber Laie, nämlich in der Anwendung des neuen Gerätes.
Abschließend legt Schwender vier Merkmale fest, die für ihn den Kern einer GA ausmachen:

• Technik eines einzelnen Produktes als Gegenstand
• Laien als Adressaten
• zielgerichtete Rezeptionsintention
• didaktische Haltung des Textproduzenten

Eine Charakterisierung die ich nachvollziehbar finde und von der wir desweiteren ausgehen wollen.